Allgemeine Schlüsselqualifikation Nachhaltigkeit
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU)
On this page
Durch die Integration einer Lehrveranstaltung zum Thema Nachhaltigkeit in den Studienplan sollen das Kennenlernen von Ansätzen der Nachhaltigkeitsdebatte sowie eine fundierte Meinungsbildung zum Thema ermöglicht werden. Das erlangte Wissen wird in Abschlussprojekten praktisch umgesetzt. Zudem wird eine Sensibilisierung für die Notwendigkeit der Kommunikation zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaft geschaffen.
Kontext
In den Allgemeinen Bestimmungen der Martin-Luther-Universität (MLU) ist vorgesehen, dass sich alle Bachelorstudierenden Kompetenzen aneignen, die über den Fachbereich des jeweiligen Studiums hinausgehen. Dies geschieht durch den Erwerb von Leistungspunkten (ECTS) in Allgemeinen Schlüsselqualifikationen (ASQ). Ein ASQ Modul umfasst in der Regel fünf ECTS-Punkte. Im Studienplan sind zehn ECTS in Form von ASQs verpflichtend vorgeschrieben.
Die Studierenden haben dabei die Möglichkeit, ihrem Interesse entsprechend aus einer Vielzahl von angebotenen Modulen auszuwählen. Auch für Lehramtsstudierende ist der Erwerb von Schlüsselkompetenzen im Rahmen von lehramtsspezifischen Schlüsselqualifikationen (LSQ) im Umfang von fünf ECTS vorgesehen.
Die Studentische Förderinitiative der Naturwissenschaften e.V. (SFi) hat sich 2005 mit dem Ziel, die Lehre an der MLU zu verbessern, gegründet. Neben Tutorien, Studienfahrten und Karrieremessen bringt sich die SFi v.a. dadurch in der Hochschule ein, ASQ-Module zu entwickeln und durchzuführen. Seit 2008 wurden so die Module BWL für Naturwissenschaftler, Produktentwicklung, Bioethik, Zukunftsfähige Landwirtschaft und Nachhaltigkeit durchgeführt. Die Module werden jeweils in Zusammenarbeit mit einer/einem Hochschullehrenden (Modulverantwortlichkeit) und der/dem Prorektor_in für Studium und Lehre vertreten und durch das ASQ-Büro (Akkreditierung) entwickelt, wobei die inhaltliche Ausgestaltung und organisatorische Aufgaben rein ehrenamtlich durch die SFi übernommen werden. Die ASQ Nachhaltigkeit ist seit dem Sommersemester 2013 fester Bestandteil des Modulangebots. Zusätzlich zur ASQ Nachhaltigkeit für Bachelorstudierende wurde 2013 die LSQ Nachhaltigkeit als wahlobligatorisches Modul für Lehramtsstudierende (2,5 ECTS) eingeführt. Durch Reformen des Lehramtsstudiums ist die Anrechenbarkeit der Leistung mittlerweile nicht mehr möglich und wurde durch die Möglichkeit ersetzt, das Zertifikat Schlüsselqualifikation Nachhaltigkeit zu erlangen.
Ziele
Grundsätzliches Ziel der Initiative ist die Integration des Themas Nachhaltigkeit ins Studium. Die ASQ Nachhaltigkeit soll es Bachelorstudierenden ermöglichen, auf Grundlage wissenschaftlicher Fakten und im interdisziplinären Austausch mit Studierenden aller Fachrichtungen, Ansätze der Nachhaltigkeitsdebatte kennenzulernen, sich eine fundierte Meinung zum Thema zu bilden und erlangtes Wissen in Abschlussprojekten praktisch umzusetzen. Lehramtsstudierende erlangen im Rahmen der Veranstaltung Kernkompetenzen im Bereich der Bildung für nachhaltige Entwicklung, welche in der Schule zunehmend an Bedeutung gewinnen. Im offiziellen Vorlesungsverzeichnis werden die folgenden Lernziele genannt:
- Erwerb von Grundkenntnissen zum Thema Nachhaltigkeit
- Anwendung von Gruppen- und Teamarbeit sowie Projekt- und Zeitmanagement
- Erlernen von Diskussionsfähigkeit im interdisziplinären Rahmen
Strukturen und Inhalte
Eine öffentlich zugängliche Ringvorlesung wechselt sich wöchentlich mit Seminaren ab, in denen die Themen der Vorlesungen nachbereitet und diskutiert werden. Für die Seminare ist der Zugang beschränkt und Studierende müssen sich am Anfang des Semesters dafür bewerben. Geplant und durchgeführt werden die Seminare unter didaktischer Betreuung von Lehramtsstudierenden (diese erlangen hierdurch das Zertifikat Schlüsselqualifikation Nachhaltigkeit) sowie durch Mitglieder der Initiative.
In den Veranstaltungen werden die für die Planung von Abschlussprojekten notwendigen Grundkenntnisse vermittelt. Des Weiteren ermöglichen angebotene Exkursionen Einblicke in die praktische Umsetzung von Nachhaltigkeit, wie beispielsweise ein Besuch im Gemeinschaftsprojekt zu nachhaltigen Lebensstilen „Ökodorf Sieben Linden“. Es gibt unter anderem folgende Themenschwerpunkte:
- Nachhaltige Entwicklung
- Konsum
- Ressourcen/Energie/Zukunftstechnologie
- Wasser/Ernährung/Bevölkerung
- Klima/Ozeane/Biodiversität
- Wirtschaft/Neue Weltordnung/Geld und Weltfinanzsystem
Die Vielfalt, die sich hier ausdrückt, spiegelt sich auch in der Ringvorlesung wider, zu der Professor_innen und Expert_innen mit unterschiedlichen Perspektiven eingeladen werden. Die Ringvorlesung wird in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für multimediale Lehre live gestreamt und aufgezeichnet. Eine Übersicht über die vergangenen und aktuellen Vorträge sowie der Live-Stream sind auf unserer Webseite zu finden [1].
Ergebnisse
Die ASQ Nachhaltigkeit wird seit 2013 jährlich im Sommersemester durchgeführt. Bis 2016 wurden in den Seminaren über 100 Studierende erreicht, in den ca. 25 öffentlichen Vorlesungen deutlich mehr, mit ca. 100–200 Besuchende je Veranstaltung. Die durchgeführten Abschlussprojekte tragen Themenfelder der Nachhaltigkeit zusätzlich in die breitere Öffentlichkeit. Hierzu zählen neben Kleidertausch, Selbsthilfewerkstätten zur Fahrradreparatur und Up-Cycling-Workshops auch Bildungsveranstaltungen in Schulen und Kindergärten. Auf unserer Webseite werden die verschiedenen Projekte vorgestellt.
Für das Projekt wurde die SFi bereits 2012 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Rat für Nachhaltige Entwicklung im „Wettbewerb zur Förderung von lokalen Bildungs- und Kompetenznetzwerken für Nachhaltigkeit“ ausgezeichnet. Mit der Fördersumme wurde der Grundstein (z.B.: Internetseite, Werbematerialien, etc.) für das Projekt gelegt. Neben der Auszeichnung als „Werkstatt N Impuls 2013“ wurde nachHALLtig 2014 auch „Offizielles Projekt der UNDekade Bildung für nachhaltige Entwicklung“. Ebenfalls 2014 verlieh „Insitu – Der Verein der Absolventen und Freunde der Wirtschaftswissenschaften an der Martin-Luther-Universität“ nachHALLtig den Insitu-Förderpreis in der Kategorie Lehre.
Implementierungsstrategie
Sommersemester 2012
Erstellung der Projektskizze und Auszeichnung im Rahmen des Wettbewerbs zur Förderung von Bildungs- und Kompetenznetzwerken für Nachhaltigkeit. Bewilligung der Fördermittel von Seiten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung
Wintersemester 2012/2013
Gespräche mit dem ASQ-Büro, dem Zentrum für Lehrerbildung und dem Lehrstuhl Betriebliches Umweltmanagement
Sommersemester 2013
Erster Durchlauf ASQ und LSQ Nachhaltigkeit; seitdem jährliches Angebot der Module
2014
Auszeichnung als offizielles Projekt der UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung
2017
Rückläufige Einnahmen der SFi führten zu einer Kooperation mit dem Studierendenrat, um finanzielle Engpässe zu vermeiden.
2018
Wechsel der Modulverantwortlichkeit zum Lehrstuhl Wirtschafts- und Organisationssoziologie (vorheriger Lehrstuhl wurde nicht wiederbesetzt)
Begünstigende Faktoren
- Die SFi garantiert durch Einnahmen aus einer selbstorgansierten Karrieremesse eine dauerhafte, finanzielle Grundsicherung des Projekts. Außerdem hat der Verein bereits Expertise bei der Implementierung von Lehrveranstaltungen im Curriculum der MLU gesammelt (ASQ-Lehrveranstaltungen u.a. zum Thema Bioethik)
- Von Seiten der Universität erhielt nachHALLtig Unterstützung durch die Schirmherrschaft des Lehrstuhls „BWL insbesondere Betriebliches Umweltmanagement“ unter der Leitung von Prof. Zabel und dem Zentrum für Lehrerbildung, welches die Anerkennung als offizielles Lehrangebot auch für Lehramtsstudierende möglich machte
- Die Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die Auszeichnung als offizielles Projekt der UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung haben dem studentisch organisierten Projekt Glaubwürdigkeit und Anerkennung verliehen
Herausforderungen
- Strukturelle Schwierigkeiten ergaben sich bei der Implementierung der LSQ Nachhaltigkeit ins Lehramtsstudium. Eine Reform des Lehramtsstudiums mit dem Fokus auf Heterogenität und Inklusion führte dazu, dass die LSQ Nachhaltigkeit nicht mehr im Studium anrechenbar ist. Dementsprechend gering fällt die Anzahl an Teilnehmende aus. Es wurde versucht, einen Anreiz zu schaffen durch ein erwerbbares Zertifikat, das das Zentrum für Lehrerbildung und die Studentische Förderinitiative der Naturwissenschaften ausstellen – bisher mit mäßigem Erfolg
- Des Weiteren wurde der Lehrstuhl Betriebliches Umweltmanagement, der die Modulverantwortung getragen hat, 2016 nicht wiederbesetzt, sodass die Verantwortlichkeit neu geklärt werden muss
Erfahrungsbericht
Auch im fünften Jahr, in dem die Lehrveranstaltung durchgeführt wurde, bewarben sich mehr Studierende als Plätze verfügbar waren, obwohl im Unterschied zu anderen ASQ Angeboten zusätzlich ein Motivationsschreiben gefordert wird. Die Teilnehmenden der Lehrveranstaltungen sind überwiegend begeistert vom praktischen Lernkonzept. Die öffentlichen Vorlesungen sind stets gut besucht mit Besucher_ innenzahlen zwischen 100 und 200. Die Idee hat bereits engagierte Nachahmer_innen gefunden: Teilnehmer_innen der ersten ASQ Nachhaltigkeit im Jahr 2013 haben die Initiative „Zukunftsfähige Landwirtschaft“ ins Leben gerufen und auch hierzu ein Lehrangebot mit öffentlicher Ringvorlesung in Halle realisiert. Das Engagement der Initiator_innen ist trotz der strukturellen Schwierigkeiten ungebremst und auch das Organisationsteam hat sich – vor allem durch ehemalige Teilnehmende der Lehrveranstaltung – erfreulich vergrößert.
Kernprinzipien
- Studentisch: Initiiert und durchgeführt von Studierenden
- Offen: Kommunikation des wissenschaftlichen Diskurses zum Thema Nachhaltigkeit in eine breite Öffentlichkeit (Ringvorlesung)
- Akkreditierung: Anrechnung für Bachelorstudierende
- Interdisziplinarität: Seminare offen für Bachelorstudierende aller Fachrichtungen
- Service: Praktische Umsetzung des Gelernten in Form von (finanziell unterstützten) Projekten