Bericht zur konferenz n 2020 vom 5. bis 7. November
Unsere vorerst letzte konferenz n fand vom 05.-07.11.2020 zum Thema „Kommunikation für den Wandel” in Kooperation mit dem forum n aus Österreich digital statt. Nachhaltigkeitskommunikation – also die Frage, wo und wie Nachhaltigkeit kommuniziert wird und ob über oder für Nachhaltigkeit gesprochen wird – beinhaltet viele spannende Themen und Diskussionspunkte, aber auch Herausforderungen, besonders in Zeiten von COVID-19. Den insgesamt 200 Konferenz-Teilnehmenden wurde ein vielfältiges Programm aus Keynotes, Diskussionspanels, interaktiven Workshops und Vernetzungsformaten geboten.
Dank eines liebevoll gestalteten digitalen Tagungshauses, das uns von WECHANGE zur Verfügung gestellt wurde, konnten sich die Teilnehmenden in den Pausen wahlweise an der Theaterbar, auf dem Flohmarkt oder in der Kantine austauschen, sodass trotz der digitalen Umstände richtiges Konferenzfeeling aufkam. Der Auftakt am Donnerstag stand stark im Zeichen der beiden Organisationen. Ausgehend von einer Keynote von Prof. Dr. Daniel Fischer zur Einführung ins Thema wurden die Bedeutung und Potenziale der Nachhaltigkeitskommunikation für netzwerk n und forum n in einem Diskussionspanel mit interaktiven Fragerunden diskutiert. Am Freitag begann nach der Keynote von Maria Mast (ZEITonline) die erste Workshop-Runde. In sieben verschiedenen Workshops erfuhren die Teilnehmenden verschiedene Zugänge zu einer Kommunikation für den Wandel – von einem Raum für Stille über Wissenschaftskommunikation bis hin zu künstlerischen Herangehensweisen. Wie bereits am Abend davor mit der Projektvorstellung von Arts of Change in Österreich, klang der intensive Tag mit einem stimmungsvollen Abendprogramm aus, das auf der Open Stage durch Graphic Recording, Performances, Poetry Slam und Impulsvorträgen bereichert wurde.
Zum Abschluss der konferenz n stand zunächst die regionale Vernetzung studentischer Initiativen im Vordergrund. Nach der Keynote unseres Vorstandsmitglieds Josef Kaiser mit einem Einblick in das Campaigning zur Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes tauschten sich engagierte Studierende in neun parallelen digitalen Netzwerktreffen von Flensburg bis Wien über ihre Initiativenarbeit aus. Hier schlossen sie wichtige Kontakte und initiierten bereits erste Folgetreffen mit ihren regionalen Mitstreiter*innen – wir sind gespannt was sich hieraus alles entwickeln wird (hierwerdet ihr alle Updates verfolgen können). Am Nachmittag fanden nach einem spannenden Panel weitere Workshops mit dem Schwerpunkt Social Media und digitaler Aktivismus statt – neben Handlungsstrategien gegen Verschwörungserzählungen im Netz lernten die Teilnehmenden, Suchmaschinen zu optimieren, Sticker zu entwerfen und Nachhaltigkeitsthemen durch kluges Twittern und Instagrammen in die Welt zu tragen. Falls ihr nicht dabei sein konntet: Weiter unten findet ihr noch ausführliche Berichte einiger Workshops – zudem könnt ihr durch Beitreten des Tagungshauses auf Folien, Screenshots und Linklisten zugreifen!
Trotz (oder gerade wegen) kurzer Holprigkeiten im technischen Ablauf war die Konferenz ein großer Erfolg und ein riesiges Lernfeld. Durch die digitale Ausrichtung konnten wir ein breites Spektrum an großartigen Referierenden gewinnen und viele Menschen schafften es, zumindest für einige Stunden ihrem Alltag zu entfliehen und in die n-Welt einzutauchen. Dennoch können wir es alle kaum erwarten, wieder Präsenzveranstaltungen durchzuführen – in welcher Form auch immer!
Einblicke in die Workshops
Wissenschaftskommunikation im Kontext von KlimaBürgerräten – Steffen Krenzer, MehrDemokratie e.V..
Im Workshop wurde das politische Verfahren “Bürgerrat” vorgestellt, das in letzter Zeit boomt. Sowohl im internationalen Kontext (UK, Frankreich, Spanien), als auch national (Schleswig-Holstein, Konstanz,Bonn) gibt es bereits abgeschlossene, noch laufende oder geplante Verfahren zum Thema Klima. An “Klima-Bürgerräte” knüpft sich die Hoffnung, dass diese notwendige Klimaschutzmaßnahmen mutiger und schneller beschließen können als herkömmliche parlamentarische Wege der Demokratie. Anschließend haben die Teilnehmenden sehr unterschiedlicher Hintergründe (Landwirtschaft, Soziale Arbeit, Stadtplanung usw.) diskutiert, wie “Mini-Bürgerräte” durchgeführt werden könnten, z.B. an Unis oder in Kommunen. Dabei wurde deutlich, dass die Frage der Wissenschaftskommunikation – also welches Wissen vom wem und in welcher Form für die Bürgerräte bereitgestellt wird – zentral ist dafür, dass die Prozesse das Vertrauen der Teilnehmenden gewinnen und zu guten Ergebnissen kommen. Die Workshop-Leitung hat dann Beispiele aus der Praxis präsentiert: Wie sah die Klimakommunikation bei bisherigen Bürgerräten aus – was war daran gut und was hat nicht funktioniert?
Raum für Stille und seine Bedeutung für nachhaltige Bildung – Schirin Steinhauer & Valerie Voggenreiter, Silence Space der HNE Eberswalde
Wie fördern wir innere Resilienz, während Leistungsdruck und Klimawandelfakten uns zu überwältigen drohen? Wo beginnt Nachhaltigkeit und wie kann ich sie als Geisteshaltung verstehen und leben? Im Rahmen der konferenz n gingen wir in unserem Workshop „Raum für Stille und seine Bedeutung für nachhaltige Bildung“ gemeinsam mit 16 Teilnehmenden diesen Fragen nach und traten eine ermutigende 90-minütige Reise an. Wir durchliefen verschiedene (Transformations-)Ebenen, denn Nachhaltigkeit kann sich nicht nur auf einer Ebene bewegen – es handelt sich um ein ganzheitliches Phänomen. Ganzheitliche Nachhaltigkeit bewegt sich für uns auf drei Relationsebenen:
(1) Ebene: Das Selbst
(2) Ebene: Mitmenschen
(3) Ebene: Mitwelt
Wir adressierten die Ebene des Selbst in Form einer meditativen Stille-Reise, in der wir den Teilnehmenden die Stille näherbrachten. Wie geht es mir? Wie fühlt sich Stille an? Wie nehme ich sie wahr? Die zweite Ebene wurde durch eine Übung ausgeführt, in der die Teilnehmenden in Paaren zusammengekommen sind und sich über die Frage: „Wann hattest du das letzte Mal das Bedürfnis
etwas in deinem Leben ändern zu müssen?“ unterhielten. Jedoch sollte dies nicht eine gewöhnliche Konversation sein – im Zentrum stand die Förderung von Empathie. Die Aufgabe bestand darin sich nacheinander wertefrei zuzuhören und danach das Gehörte zu paraphrasieren – so ließen sich die Partner*innen aufeinander ein und steigerten das gegenseitige Verständnis und Mitgefühl. In der dritten Ebene befassten wir uns mit der Mitwelt. „Mitwelt“ meint mehr als Umwelt. Sie bezieht die gesamte Umgebung und ihr Beziehungsgeflecht mit ein -von Flora, Fauna, Mitmenschen und der eigenen Gefühlswelt, also dem Selbst. Wie steht es nun um die Kommunikation mit der Mitwelt, wenn sich aufmerksam dem Selbst und den Mitmenschen genähert wurde? Hier zeigt sich die Möglichkeit den inneren Wandel nach außen zu tragen und wir stellten die Fragen: „Wie kommen wir ins Handeln, um eine sozial-ökologische Transformation an der eigenen Hochschule befeuern zu können? Wie können Bildungsinhalte neu gelernt werden?“ In Kleingruppen bekamen die Teilnehmenden Zeit, um sich darüber auszutauschen und erste Erkenntnisse zu ernten.
Als Fazit lässt sich sagen, dass sich innerer Wandel und äußerer Wandel gegenseitig bedingen. Unsere Handlungen entspringen unseren Ansichten, also unserer Haltung. Daher berührt nachhaltiges Verhalten die tiefliegenden inneren Strukturen eines jeden Menschen. Gerade weil der innere Wandel in der Bildung ebenso wie im Nachhaltigkeitsdiskurs unserer Meinung nach unterrepräsentiert ist, legten wir in unserem Workshop darauf ein besonderes Augenmerk. Durch das Wahrnehmen und Bespielen der drei Ebenen ermöglichen wir uns eine neue Form der Kommunikation, die empathisch und wohltuend ist. Eine Kommunikation des offenen Geistes, offenen Herzens und offenen Willens, um Wandel mitzugestalten. Anstatt sich als Opfer von äußeren Umständen zu betrachten, können wir uns so als Teil der Lösung(en) begreifen und Handlungsspielräume erkennen und nutzen. So können sich eben diese Handlungsspielräume auch an Hochschulen auftun. Veränderung beginnt bei uns selbst. Entdeckt mit uns weiterhin die Stille und wie sich ihr transformatives Potential entfalten kann.
Dissolve the old, repicture the obvious – Laura Lawine
Laura Lawine zeigte uns auf eine spielerisch-interaktive Art auf, welch riesiges Potential einem künstlerischen Ansatz zur Klimawandel-Komunikation innewohnt. Inhaltliche Kurzvorträge wechselten sich mit ausgedehnten Kreativphasen ab, in welchen wir wahlweise auf einem digitalen WhiteBoard, mit Papier und Stift oder gar mit einen Gegenstand unserer Wahl gefordert waren.
Die Rolle der Empathie zur Änderung menschlichen Verhaltens steht mindestens ebenbürtig zu einem Aufzeigen relevanter Fakten, so eine Studie aus Standford. In der ersten Übung suchten wir also alternative Bezeichnungen für Alltagsgegenstände, um verborgene Facetten dieser herauszuarbeiten und diese im Sinne einer Empathie-stiftenden Kommunikation einzusetzen. Aus einer Gabel wurde beispielsweise ein Dreizack für nobel Gesinnte, ein Messer mit zwei Zinken oder eine Mordwaffe. Ein Zahn wurde zu einem Eisberg oder einem Gebirge umgedeutet.
Weiter gings mit der Sensibilisierung für nonverbale Kommunikation. Reihum erzählten wir für eine Minute eine Geschichte aus unserem Leben, welche von den Zuhörenden währenddessen durch Zeichnungen visualisiert wurde.
Nach einem kompakten Exkurs über das Potential und die Limitation positiv besetzter Kommunikation machten wir uns daran, negativ behaftete Aussagen auf den Kopf zu stellen. Aus einem nie mehr Fliegen wurde auf diese Art ein endlich die Vorzüge der regionalen Urlaubsregionen kennenlernen. Der Kampfruf „Weniger Plastikmüll“ fand in einem „Endlich wieder freie Bahn beim Schwimmen“ sein humorvolles Gegenstück.
Ausgestattet mit einem Kochrezept zur Neu-Kontextualisierung alltäglicher Gegenstände (neue Fähigkeiten zuschreiben, Modifizieren und umgestalten, öffentlicher Ort…) bogen wir auf die Zielgerade ein und bekamen zum Abschluss noch ein paar Kunstwerke aus der Lauras Feder präsentiert.
Neugierig? Schau doch mal bei Ihrem Instagram-Kanal und Webpage vorbei, es lohnt sich!
Wissenschaftskommunikation kompakt: Aktuelle Debatten und Formate in der Praxis – Anne Weißschädel, wissenschaftskommunikation.de
Im Workshop haben wir über aktuelle Trends und Debatten in der und über Wissenschaftskommunikation gesprochen. Das Thema ist in diesem Jahr sehr präsent, die Entwicklungen in dem Bereich sind aber schon länger im Gange: Die Wissenschaft durchdringt immer mehr unsere Leben und das Interesse ist allgemein hoch. Die Wissenschaft wird aber auch immer komplexer und befremdlicher, was Skeptiker*innen wenn nicht mehr, so doch zumindest lauter werden lässt. Durch die Digitalisierung gibt es außerdem viel mehr direkte Kommunikation zwischen Forschenden und Nicht-Forschenden, wodurch Medien mit ihrer Einordnungsfunktion in den Hintergrund geraten. Kommunikationsfelder, die einen besonderen Handlungsbedarf aufweisen, haben dabei unterschiedliche Herausforderungen (Corona: sehr akut, sehr plötzlich, auf die Dauer tritt aber eine „Müdigkeit“ ein, Klima: sehr langfristig, oft nicht erlebbar und als Thema so groß, dass es Machtlosigkeit hervorruft, Nachhaltigkeit: kleinteiliges Feld, einzelne Maßnahmen recht niedrigschwellig, für große Veränderungen sind aber weitreichende Umstellungen nötig). Im Anschluss an den Input ging es um eigene Kommunikationsvorhaben der Teilnehmenden und zuerst die Frage: Welcher Wisskomm-Typ seid ihr?
Transformationsforschung zur sozial-ökologischen Wende – Hans Holzinger, Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen
Transformationsforschung beschäftigt sich mit den Gelingensfaktoren und Barrieren für den Übergang von Konsum- und Wachstumsgesellschaften hin zu nachhaltigen Gesellschaften. Im Workshop wurden einige Ansätze dazu vorgestellt und – soweit per Chat möglich – auch diskutiert. Ausgangspunkt waren einige Dilemmata, die Nachhaltigkeitskommunikation erschweren.
- Gefangenendilemma: Meine Verhaltensänderung bewirkt wenig, wenn sich nicht alle anderen auch ändern (gilt für Individuen wie für Länder).
- Fernedilemma: Verursachung und Wirkungen (Ursachen & Folgen) liegen meist zeitlich und geografisch weit auseinander.
- Verantwortungsdilemma: Bei Fehlen systemischer Analysen bleibt häufig unklar, wer welche Entscheidungskompetenzen und damit auch Verantwortung hat.
Als Problem wurden auch Pfadabhängigkeiten, etwa langfristig angelegte Investitionen in fossile Infrastrukturen, identifiziert. Dass unserem Verhalten unterschiedliche Motive zugrunde liegen können, bereits bekannte Routinen oder fehlende intrinsische wie extrinsische Motivation (Wollen und Sollen), macht die Sache nicht einfacher. Dargelegt wurden Fallen der Nachhaltigkeitskommunikation, etwa Alarmismus, der zu psychischer Reaktion führen kann, oder zu abstrakte Inhalte (etwa das 1.5 Grad-Ziel oder die verbleibenden Megatonnen CO2-Budgets), die keine Berührung auslösen.
Im zweiten Abschnitt ging es um Ansätze der Veränderung. Dass Bürger und Bürgerinnen in Umfragen Umweltkrisen als bedrohlich und Umwelthandeln als wichtig einstufen, müsse nicht mit dem „mind-action-Gap“ zu tun haben, sondern könnte auch als Appell an die Politik zu mehr Mut für Veränderungsschritte interpretiert werden, so ein Ergebnis. Weiters besprochen wurden der Ansatz der kritischen Masse (25 Prozent reichen aus, um in einer Gruppe einen Meinungsumschwung herbei zu führen), jener des Setzens auf neue Narrative, Geschichten des Gelingens, neuer attraktiver Bilder von Wohlstand. Mit der Transformationsforscherin Kora Kristof wurde auf die Notwendigkeit verschiedener Promotor*innen bei Veränderungsprozessen eingegangen: es braucht jene, die fachlich versiert sind, jene, die es verstehen Netzwerke zu bilden, jene, die über Ressourcen und Einfluss verfügen, schließlich jene, die sich um die Beziehungsebene kümmern. Die Rollen können hier natürlich wechseln.
Abschließend stellte der Workshop-Leiter seinen „Sowohl-als-auch“-Ansatz vor. Wir brauchen demnach Menschen, die in Nischen, in Reallaboren das Neue erproben, wir brauchen jene, die die Veränderung in die Institutionen und in alle Wirtschaftsbereiche tragen, und wir brauchen jene, die zivilgesellschaftlichen Druck für die erforderlichen Wenden erzeugen: die Energie- und Mobilitätswende, die Verteilungs- und Arbeitswende, die Stadt- und Wohnwende, schließlich auch die Denkwende, eine Aufgabe von Bildung und Nachhaltigkeitskommunikation. Deutlich wurde dabei, dass hier insbesondere auch (wirtschafts-)politische Bildung nötig sein wird.
Die Folien wurden dem Tagungsteam zur Verfügung gestellt.
Rückfragen: “ class=“broken_link“>Hans Holziger
Stimmen und Einblicke in die kn20:
Für unseren jungen Verein forum n, der in Österreich studentische Nachhaltigkeitsinitiativen vernetzt und unterstützt, war die konferenz n 2020 das erste große Kooperationsprojekt, das wir als sehr gelungen empfinden. Wir schätzten die Expertise von und Zusammenarbeit mit netzwerk n bei der Organisation und Durchführung der Konferenz. In diversen Diskussionen und Workshops ist uns wieder bewusst geworden, dass Kommunikation ein wichtiger Aspekt ist, um im Innen und Außen gut zu Arbeiten. Es hat uns gefreut, mit netzwerk n und vereinsnahen Personen in Austausch zu kommen und verschiedene Perspektiven zu diskutieren. Außerdem war es für die österreichischen Teilnehmer und Teilnehmerinnen wertvoll zu erfahren, was in Deutschland in diesem Themefeld passiert und anschließend im österreichischen Raum darüber zu reden und unseren Verein besser kennenzulernen. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit mit netzwerk n!
Tabea von forum n