Studierende diskutieren gemeinsam mit Politiker_innen über die Stärkung sozial-ökologischer Nachhaltigkeit im Berliner Hochschulgesetz
Berliner Hochschulen for Future?! Das Berliner Hochschulgesetz: Potenziale für die Gestaltung einer nachhaltigen Hochschullandschaft – unter dieser Überschrift diskutierten am 12. Juni im Hybrid Lab etwa 35 Studierende mit Politiker_innen der Berliner rot-rot-grünen Koalition, während vor der Tür nach einem heißen Sommertag ein heftiges Unwetter tobte. Die Veranstaltungsräumlichkeiten boten somit einen Zufluchtsort, der noch dazu eine spannende Diskussion mit vielen Möglichkeiten der Beteiligung bereithielt.
Bereits seit Längerem plant das Berliner Abgeordnetenhaus eine Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes. Um eine erfolgreiche Novellierung anzustoßen, führen die drei wissenschaftspolitischen Sprecher_innen der Berliner Koalition seit Anfang des Jahres breit angelegte Diskussionsveranstaltungen durch, innerhalb derer sich die interessierte Öffentlichkeit mit Vorschlägen einbringen kann. An den Veranstaltungen beteiligten sich auch verschiedene studentische Initiativen und das netzwerk n, um eine stärkere Verankerung sozial-ökologischer Nachhaltigkeit im Hochschulgesetz zu fordern, damit die Hochschulen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung, die Nachhaltigkeitstransformation aktiv mitzugestalten, gerecht werden. Innerhalb des Formats regio n wurde vor diesem Hintergrund in den letzten Monaten auch eine schriftliche Kommentierung erarbeitet, die diese Forderungen konkretisiert.
Die perspektive n „Berliner Hochschulen for Future?!“ bot nun die Chance, über die Inhalte der Kommentierung und darüber hinausgehende Forderungen zu diskutieren. Damit ergab sich erstmals die Möglichkeit, das Format perspektive n auf die Landesebene zu übertragen. Organisiert wurde die Veranstaltung von Studierenden des TU Nachhaltigkeitsrates, der studentischen Initiative Nachhaltigkeitsbüro an der HU Berlin, der Initiative trASHform an der Alice Solomon Hochschule sowie von Mitgliedern des netzwerk n. Des Weiteren unterstütze RENN.mitte die Diskussionsveranstaltung mit finanziellen Mitteln.
Unserer Einladung folgten Mitglieder aller drei Koalitionsparteien:
- MdA Dr. Ina Czyborra (wissenschaftspolitische Sprecherin der Berliner SPD-Fraktion)
- Annkatrin Esser (Sprecherin der Grünen Jugend Berlin, in Vertretung für MdA Catherina Pieroth)
- MdA Tobias Schulze (wissenschaftspolitischer Sprecher der Berliner Linken-Fraktion)
In einem ersten Themenblock widmeten wir uns der Rolle der Hochschulgovernance für eine Stärkung der sozial-ökologischen Nachhaltigkeit an den Berliner Hochschulen. Den Startschuss für diesen Themenblock gab Christopher Jeta, Student an der Alice Salomon Hochschule sowie Mitglied in der studentischen Initiative trASHform, indem er Kernforderungen der erarbeiteten Kommentierung in die Diskussion einbrachte. Hierzu zählt insbesondere die Forderung nach einer gesetzlich verankerten und verpflichtenden Nachhaltigkeitsstrategie an jeder Hochschule, die seitens des Landes durch übergeordnete Zielvorgaben für die Bereiche Lehre, Forschung, Betrieb, Governance und Transfer flankiert sein und unter Beteiligung aller Statusgruppen erarbeitet werden soll, beispielsweise im Rahmen eines Runden Tisches. Zu diesen Zielvorgaben können beispielsweise klare CO2– und Energieverbrauchsminderungsziele im betrieblichen Bereich, die mit einem Umweltmanagementsystem einhergehen, wie auch Ziele im Feld der sozialen Nachhaltigkeit gehören. Zur Erreichung dieser Ziele könnten die Hochschulen wiederum individuelle Formen der Nachhaltigkeitsgovernance finden, wie beispielsweise Stabsstellen oder Nachhaltigkeitsbüros, die mit der Umsetzung betraut werden. Seitens der Diskutant_innen fand dieser Vorschlag Zustimmung, wobei hinsichtlich der Zielfestlegung und Qualitätsstandards auf die individuellen Hochschulverträge verwiesen wurde. Diese werden im Jahr 2021 neu verhandelt, sodass sich in diesem Zuge zwei Möglichkeitsfenster öffnen werden: Erstens die Verankerung der besagten Nachhaltigkeitsziele sowie zweitens die finanzielle Unterstützung der Hochschulen zur Umsetzung der erarbeiteten Nachhaltigkeitsstrategie. Finanzielle Anreizsysteme wurden unisono als wichtiges Instrument hervorgehoben, was überaus erfreulich ist. Zugleich wurde jedoch auch deutlich, dass über potentielle Fördergelder erst ab 2021 im Rahmen der Hochschulvertragsverhandlungen konkret gesprochen werden kann.
Zusammenfassend wurde innerhalb des Themenblocks deutlich, dass der politische Wille zur festeren Verankerung sozial-ökologischer Nachhaltigkeit vorhanden scheint, wenngleich nicht sofort aus bürokratischen Machbarkeitsgründen mit einer Umsetzung gerechnet werden kann. Das Berliner Hochschulgesetz kann jedoch bereits eine wichtige Rahmung darstellen, um eine Kultur der Ermöglichung an den Berliner Hochschulen zur Erreichung wichtiger Nachhaltigkeitsziele zu etablieren. Hierbei sind auch unbedingt weitere Gesetze zu berücksichtigen, wie beispielsweise das Vergaberecht, welches noch allzu oft die Wahl nachhaltigerer Produkte an den Hochschulen erschwert.
In einem zweiten Themenblock widmeten wir uns Forderungen nach einer festeren Verankerung von Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) im Hochschulgesetz, wobei leider Tobias Schulze aufgrund eines Paralleltermins bereits gehen musste.
Konkrete Forderungen wurden von Marla Kaupmann, Studentin an der HU Berlin sowie Mitglied der studentischen Initiative Nachhaltigkeitsbüro, präsentiert. Sie berichtete von der Etablierung des Studium Oecologicums an der HU Berlin, einem für alle Studierenden belegbaren und interdisziplinären Modul zum Thema Nachhaltigkeit. Hierbei hob sie die Anlaufschwierigkeiten hervor, insbesondere bedingt durch die fehlende Unterstützung durch die Universitätsleitung. Hier wäre eine stärkere Verankerung von BNE in der Landesgesetzgebung argumentativ sehr hilfreich gewesen, doch fehlt aktuell eine berlinweite BNE-Strategie im hochschulischen Bereichen völlig, obwohl es im 2017 veröffentlichten Nationalen Aktionsplan BNE heißt:
„Zur Förderung des Nachhaltigkeitsprofils von Hochschulen werden Finanzierungs- und Anreizsysteme entwickelt und genutzt, um den Wandel zu initiieren, strukturell zu verankern und eine Wissenschaftskultur für Nachhaltigkeit zu fördern. Zur Gestaltung bieten sich folgende Instrumente an: Novellierung der Landeshochschulgesetze, Verankerung von BNE/Nachhaltigkeit in den künftigen Hochschulverträgen und in den Zielvereinbarungen der Hochschulen mit den Ländern, nachhaltigkeitsbezogene Erfolgskriterien für die Budgetierung, Ausschreibung von wettbewerblichen und nicht wettbewerblichen finanziellen Förderungen bzw. Verankerung von Nachhaltigkeit als Förderkriterium in Ausschreibungen.“
Nationaler Aktionsplan Bildung für Nachhaltige Entwicklung. Berlin, 2017. S. 52.
Vor diesem Hintergrund zeigte sich wiederum die Bereitschaft aller Diskutant_innen, BNE im Hochschulgesetz fest zu verankern. Zugleich warf die Diskussion aber auch die Frage auf, wie weit die Steuerung des Landes gehen sollte und welche Eigenverantwortung die Hochschulen tragen. In die Diskussion wurde dabei auch der Vorschlag eingebracht, das Studium Generale sowie Orientierungsphasen zu stärken, um einen größeren Ermöglichungsraum für Lehrveranstaltungen im BNE-Bereich zu schaffen. Auch wurden Forderungen nach dem Ausbau von studentischen Lehrveranstaltungen laut – die TU-Projektwerkstätten oder die Projekttutorien an der HU Berlin könnten hier als Vorbilder dienen. Für eine erfolgreiche Verankerung von BNE braucht es aber auch Weiterqualifizierungen von Lehrenden und Anreizsysteme, welche dafür sorgen, dass solche Weiterbildungen auch genutzt werden. Weitere Vorschläge gingen auch in die Richtung, hochschulübergreifende interdisziplinäre Lehrveranstaltungen zu stärken, um die berlinweit vorhandenen Potentiale besser auszuschöpfen und eine bessere Vernetzung herzustellen.
Letztlich zeigte sich in der Diskussionsrunde, dass BNE definitiv im Gesetz verankert werden sollte, aber dies nur eine Rahmung für eine detaillierte Strategie darstellen kann, die auch konkrete Fördermittel beinhaltet. Somit heißt es: Weiter dranbleiben und kreativ überlegen, wie BNE durch die Landesebene konkret gestärkt werden kann, um Berlin zu einem Vorreiter im BNE-Bereich werden zu lassen! Eine breite Partizipation aller Statusgruppen ist dafür unerlässlich, weshalb auch in den nächsten Monaten im Rahmen des regio-n-Formates weiter darüber diskutiert werden wird, wie das Land Berlin die Hochschulen zu einer schnelleren institutionellen Nachhaltigkeitstransformation befähigen kann.
Welches Fazit lässt sich also aus dieser ersten perspektive n auf Landesebene ziehen? Zum einen, dass es viel zu tun gibt und es dabei auch viele Hürden zu überwinden gilt – zum anderen aber, dass ein großer Wille, auch von landpolitischer Seite, vorhanden ist, die Berliner Hochschulen angesichts der aktuellen sozial-ökologischen Herausforderungen zukunftsgewandt zu gestalten.
Somit geht von dieser Veranstaltung die Botschaft aus: Berliner Hochschulen for Future!